Natürlich war ihm klar, dass sein trockener Schuss in den Winkel in der 87. Minute in erster Linie die drei Punkte für Rot-Weiss Essen gegen den SC Verl sicherte. Doch für den 22-Jährigen, der im vergangenen Sommer vom 1. FC Köln II an die Hafenstraße gekommen war, bedeutete der Treffer zum 2:0 noch viel, viel mehr.
Ein wenig in sich gekehrt wirkte der gebürtige Krefelder, als er nach dem Spiel durch die Mixed Zone stapfte. Und schaute etwas ungläubig drein, weil er urplötzlich ein gefragter Mann war. Denn bis zum vergangenen Freitagabend musste der Deutsch-Serbe nach seinem Wechsel aus der Domstadt auf einen Treffer im Trikot der Rot-Weissen warten. „Es hat lange gedauert – ein Jahr“, gab sich Jesic erst etwas nachdenklich ob seiner langen Durststrecke. „Es lief wirklich nicht ganz so gut“, übte er dann Selbstkritik und schloss erleichtert an: „Jetzt bin ich froh, bin fit – jetzt geht’s voran. Das war hoffentlich der Erlöser.“
Für den Rechtsfuß, der nach der Verletzung von Frank Löning in der 30. Minute einen Kaltstart hinlegen musste. Und – zugegeben – immer wieder etwas verloren wirkte. Mal stimmten die Zuspiele nicht, mal verhakte er sich im Zweikampf. Es deutete nicht viel darauf hin, dass Jesic tatsächlich noch eine bedeutende Rolle spielen sollte. „Es ist immer schwierig, wenn man reinkommt ohne sich aufzuwärmen. Aber nach der Halbzeit war ich dann drin.“
Über so einen Schuss denkt man nicht nach
Vojno Jesic
Als RWE nach dem Wechsel immer stärker wurde und Kasim Rabihic mit seinem direkten Freistoß das befreiende 1:0 besorgte, wuchs auch beim Schützen des zweiten Essener Tores das Selbstbewusstsein. Dafür hatten auch seine Mannschaftskollegen gearbeitet. Die Viererkette stand derart sicher, dass Verl aus dem Spiel heraus nur selten in die Gefahrenzone vorstoßen konnte. Und so hatten Mittelfeld und Angriff den Rücken frei.
Am Ende war es dennoch ein Arbeitssieg. Weil Verl – unter Trainer Andreas Golombek an der Hafenstraße weiter ohne Sieg – der erwartet unbequeme Gegner war. Es brauchte einen Geistesblitz, um die Führung auszubauen und RWE in der Schlussphase den Druck zu nehmen. So einen wie den von Jesic zum Beispiel: „Über so einen Schuss denkt man nicht nach. Er ist reingegangen und es ist gut gelaufen“, sagte er mit einem Zwinkern, richtete den Fokus aber wieder auf die Arbeit seiner Kollegen in den anderen Mannschaftsteilen: „Das Wichtigste ist, dass wir hinten gut stehen. Nach vorne können wir immer einen machen.“
Wie das geht, hat er vorgemacht – trotz seines Kaltstarts.